На войне под наполеоновским орлом. Дневник (1812-1814) и мемуары (1828-1829) вюртембергского обер-лейтенанта Генриха фон Фосслера - читать онлайн книгу. Автор: Генрих Август Фон Фосслер cтр.№ 75

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Cтраница 75
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Wehmüthig nahm ich am 24. April von den guten Deutschen Abschied, wünschte ihnen Glück, das sie aber bis jetzt wohl schwerlich gefunden haben werden, und schlug den Weg nach Posen ein. Bey Demsen, einem andern deutschen Colonisten Dorfe, sammelte sich das Regiment, und zog von da in Parade durch Posen. Die zahllose Menge der klappernden Windmühlen, die die Stadt in geringer Entfernung umgeben, und deren es auf dem diesseitigen Eingänge von Posen besonders viele sind, setzte uns nicht weniger in Erstaunen, als unsere Pferde in Schrecken. Die Stadt selbst hat mehrere gut gebaute, während der preussischen Herrschaft38 39 entstandene Strassen, und zeichnet sich vor den meisten pohlnischen Städten vortheilhaft aus. Am jenseitigen Ende derselben giengen wir über die Warthe, und // S. 19// schlugen den Weg nach Gnesen ein. Mein Schwadrons-Chef war diesen Tag auf einem Dorfe, das — wenn ich es anders richtig gehört habe, Koszalkowikorski heißt, bey einem Edelmann in Quartier, dessen 2. Töchter mit pohlnischen Uhlanen-Officiers verlobt, ihren Geliebten beym Abschiede versprochen haben sollen, daß sie mit fremden Männern keine Sylbe wechseln wollen. Wie lange sie dieses Versprechen hielten, weiß ich nicht, nur so viel weiß ich, daß sie während der Anwesenheit der Württemberger ihrem Gelübde nicht untreu wurden und daß der Verwalter des Edelmanns versicherte, daß noch keine 14. Tage seit dem gegebenen Versprechen verflossen seyen. Wir hielten diese Damen für stumm, und die wiederholten Versicherungen des aufrichtigen Verwalters konnten uns kaum vom Gegentheil und der Wahrheit seiner Erzählung überzeugen. — Den folgenden Tag erreichten wir Gnesen, eine ziemlich beträchtliche, jedoch schlecht gebaute Stadt, die der Sitz eines Erzbischoffs, und durch einen besuchten Pferdemarkt weit berühmt ist. In meinem Quartiere zu Czecznigrolevski39 hatte ich einen sehr neugierigen Hausherrn, bey dem gerade ein noch viel neugieriger Landpfarrer zum Besuche war. Beide erkundigten sich sehr angelegentlich nach allen Ländern, die wir schon durchzogen hatten, und besonders nach unserem Vaterlande, nach dessen Clima, Cultur und Verfassung. Keiner von den beiden Herren war je über die Grenzen Pohlens gekommen, und beide wußten von // S. 20// ihrem Vaterlande kaum etwas mehr, als daß ihr Wohnort im bessern Theile Pohlens liege, und daß ihr Land den südlichen Ländern nach Clima und vielleicht auch Cultur nachstehen müsse. Meine Erzählungen konnten daher nichts anders als Erstaunen erregen, und nachdem ich ihnen mehrere Stunden lang von Württemberg, von dem milden Clima, von der LandesCultur, von den Einwohnern und ihrer Lebensart, und zulezt auch von dem segensreichen Jahr 1811. gesprochen hatte, priesen sie das südliche Deutschland glücklich, waren vollkommen überzeugt, daß es ein wahres Paradies sey, und sahen mich mit andern — ich möchte beynahe sagen, neidischen Augen an. Mein Graf war so sehr vergnügt, daß er nichts sparte, um mir zu zeigen, wie ein werther Gast ich ihm sey, und ich selbst hatte mich ganz in angenehme Erinnerungen verloren. Es war dieser Tag einer der angenehmsten, die ich in Pohlen verlebte.

An den folgenden Tagen führte unser Weg durch mehrere kleine, schlechte Städtchen, in deren einem — Radczejew — viele Württemberger ansässig sind, die durch den Anblick der Landsleute in grosse Freude geriethen, und sich nach ihren Geburtsorten und Verwandten angelegentlich erkundigten, wobey sie ihre traurige Lage in Pohlen herzbrechend schilderten. Am 30. April setzten wir in grossen Kähnen über die Weichsel, verließen am 3. May das Grosherzogthum Warschau, betraten bey Jilienburg (oder Illowo) das ostpreussische Land, und bezogen den 6.ten bey Neidenburg Cantonirungsquartiere. // S. 21//

Die Freude über den Ausmarsch aus Pohlen und den Einmarsch nach Ostpreussen war allgemein und unbeschreiblich. Hatten wir früher ganz Preussen wegen der Ungefälligkeit der Brandenburger und der schlechten Quartiere verwünscht, so dankten wir jetzt Gott, daß er uns wieder unter Menschen kommen ließ. Um aber nicht ungerecht gegen die Pohlen zu scheinen, will ich hier einige Bemerkungen machen, die sich jedem Reisenden bey seinem Eintritt in Pohlen aufdringen, und zum Beleg meiner Angaben einige Anekdoten anführen. Vorher muß ich nur noch bemerken, daß die Wohlhabenheit und Frugalität, an die ich durch Erziehung gewöhnt war, und die Rechtlichkeit und der schlichte Bürgersinn, die ich meinen braven Eltern zu danken habe, mich manche scharfe Ecke ich Pohlen tiefer fühlen ließen, als sie vielleicht mancher andere fühlen mochte.

In Pohlen machen allein die Edelleute die Nation aus. Ein Hauptzug im Charakter des Adels ist der Stolz, eine Folge der früheren Verfassung, nach der jeder Edelmann bey der Königswahl nicht nur eine Stimme hatte, sondern selbst wahlfähig war. Im allgemeinen ist der Edelmann tyrannisch gegen seine Unterthanen; aber sclavisch gegen Höhere; er ist mißtrauisch, boshaft und treulos gegen seine Landsleute, selbst ein gleiches Interesse vereinigt ihn nicht immer mit dem andern, und seine Sache geht der Sache des Vaterlandes vor, oder er macht jene zu dieser. Immer war Pohlen in Partheyen getheilt, und kräftige Männer bekannten sich zu der einen oder

zu der andern, // S. 22// aber keiner vermochte seinem Vaterlande eine Ruhe zu geben, die einem Wahlreiche unnatürlich ist. Ueppigkeit und Prachtliebe hat manche Familien arm gemacht, andere zum Verrath am Vaterlande verleitet, und am Ende die Nation um ihre Existenz gebracht. Koscinsko und andere brave Männer konnten dem allgemeinen Verderben nicht Einhalt thun, und vergebens suchten sie das Land zu retten. Es wurde zerrissen, aber die Art, wie dieses geschah, war nicht geeignet, die Herzen der Nation, oder vielmehr des Adels dem neuen Vaterlande zu befreunden. Zwar that Preussen in seinem Antheil das Möglichste zu Emporbringung des Landes, und die Spuren seiner Regierung erblickt man noch mit Wohlgefallen, aber der Adel sah in ihm nur seinen Unterdrücker, und mißkannte das Gute. Er wurde wieder wohlhabender, aber ohne daß es ihn freute, denn er mochte seinem Feinde nichts danken. Freudig ergriff er die Waffen, als Napoleon Pohlen ins Leben zurückzurufen versprach; er scheute keine Aufopferung, willig gab er Geld und Gut und Blut hin, und vergöttert wurde der Freiheitsbringer Napoleon. Er aber stellte nicht das Reich Pohlen wieder her, sondern schuf das Herzogthum Warschau, und führte durch hohe Abgaben, und übergroße militärische Macht Erschöpfung herbey. Dieses betrachtete jedoch der Pohle nur als ein Interim und ertrug es geduldig. Ein neuer Krieg mit Rußland, hoffte er, werde Pohlen sich selbst wieder zurückgeben. Dahin gieng sein Wunsch und sein Streben, und daher rührte seine Vorliebe für Napoleon. Im Herzogthum // S. 23// Warschau, unter Sachsens Hoheit, galt der pohlnische Adel wenig; im Königreich Pohlen hoffte er die verlorenen Vorrechte, den entschwundenen Wohlstand, das grose Ansehen wieder zu erringen. Stolz war der Adel auf seine früheren Vorrechte, und ebenso stolz auf den, welcher ihm die Herstellung des Reichs verhieß. In Südpreussen war der Adel wohlhabend geworden, im Herzogthum Warschau wurde er arm, aber die Erinnerung an den früheren Wohlstand lebte noch in ihm, er hatte sich theils aus natürlichem Hange zum Luxus, den die Erziehung noch genährt hatte, theils, weil er es nicht nöthig hatte, an keine weise Sparsamkeit gewöhnt. Verarmung und Mangel waren die unausbleiblichen Folgen. Einige Beispiele mögen diese lezteren Angaben unterstüzen. In Cornowa, 2. Tagmärsche jenseits Gnesen , traf ich einen Edelmann, der die Fenster seines Wohnzimmers reichlich mit Papier verklebt hatte, der kaum Holz genug zur Wärmung des gemeinschaftlichen Wohnzimmers beischaffen konnte, aus dessen Zügen der Hunger hervorleuchtete, dessen Töchter aber nichts desto weniger in Seide gekleidet, und von einer in Mousselin gekleideten Kammerjungfer bedient waren. Ein gleiches traf ein anderer Officier meines Regiments, nur daß dort der Luxus noch mehr gesteigert, und der häusliche Wohlstand noch tiefer gesunken war, denn die ganze adeliche Familie bediente sich, nach patriarchalischer Weise, Eines Trinckglases, und Einer Gabel, aber keines Tischtuches, und den einquartierten Officieren wurde aus Mangel an Betten und Raum im Hause die Lagerstatt // S. 24// neben den Töchtern des Hauses auf blossem Stroh angewiesen. Ein Bürgerstand existirt in Pohlen nicht. Also nur noch Einiges von den Bauern, denn ich kann nicht wohl sagen: Bauernstand. Als Sclaven der Edelleute wachsen sie auf, wie das liebe Vieh, sie lernen weder lesen noch schreiben, und das Ganze, wozu sie von ihren Erzeugern angewiesen werden, besteht in den wenigen und einfachen Handgriffen und Arbeiten des Ackerbaues. Sie haben kein Eigenthum, ihr Besitzthum gehört dem Edelmann, er läßt den grösten Theil seiner Orts-Markung durch den Bauern bauen, und überläßt ihm nur so viel Grund und Boden, als er zu Ernährung seiner Familie bedarf. Den Ueberfluß einer ungewöhnlich reichen Erndte muß der Bauer dem Edelmann abtreten, so wie er denn auch im entgegengesetzten Fall seine Erhaltung von der Güte des Edelmanns zu erwarten hat. Als Sclave gebohren, als Sclave erzogen, kennt der Bauer keine anderen, als thierische Gefühle und Bedürfnisse, er unterwirft sich mit Geduld den barbarischsten Launen seines Herrn, und küßt mit Ehrfurcht den Fuß, der ihn so eben niedergetreten hat. Die größerntheils unmenschliche Behandlung macht ihn fühllos und stumpf, und kaum wagt er in Gegenwart seines Herrn zu athmen. Hat ihm die Milde desselben einige Groschen übrig gelassen, so berauscht er sich in Brantwein, und wird aus einem Halbmenschen ein Vieh. Der Hang zum Stehlen, den man beym gemeinen Pohlen allgemein antrifft, // S. 25// und wovor sich jeder Reisende hüten möge, hat seinen Grund nicht in der Habsucht, sondern in der unwiderstehlichen Neigung zum Branntweintrinken. Von der Sclaverey rührt auch die gränzenlose Unreinlichkeit her, die man beinahe in allen Baurenhäusern ohne Ausnahme findet, und die sich über die ganze Lebensart und die Sitten der Einwohner verbreitet hat. Man stelle sich eine Stube vor, deren Umfassungswände aus kaum gekanteten — über einander gelegten Baumstämmen bestehen, deren Ritzen mit Moos verstopft sind, die ungehobelte Thüre mit einem hölzernen Ringel verschlossen, drey 1.' [Fuß/ Schuh] hohe und 1 1/2/ breite Fensteröffnungen, deren eine Glasscheiben, die 2. anderen aber nur hölzerne Vorschieber haben, der Boden mit Erde ausgeschlagen, an 2. Wänden schmale Bänke, 1. kleiner ungehobelter Tisch, 1. runder Backofen samt hölzernem Rauchfang zur Seite des Backofens, 2. sogenannte Pritschen über einander zum Lager der Menschen bestimmt, und in dem übrigen Raum der Stube 1/2. Dutzend Gänse, Enten, Hühner, einige junge Schweine, eine Ziege oder gar ein Bock, ein Kalb und 1. Kuh, — so hat man das Bild einer pohlnischen Bauernstube, und unserer Quartiere in Pohlen.

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